Leadership für die grossen Herausforderungen
Die Wirkung, die man echter und guter Leadership im allgemeinen zuschreibt, ist in jeder Schlüsselposition wünschenswert, und an der obersten Spitze von Organisationen auch nötig. Denn die Herausforderungen durch die „Grosse Transformation“ sind diesmal so gross und komplex, dass wir mehr Leadership brauchen, als vielleicht je zuvor.
Daher werde ich in den kommenden Tagen und Wochen hier im Blog einige Gedanken dazu darlegen, wie ich Leadership sehe.
Unter anderem haben Armeen das früh erkannt und versucht, Leadership-Qualitäten in ihren höheren Schulen zu vermitteln. So lautet z. B. die Mission der US Westpoint Military Academy : „We educate leaders who deserve trust.“ Und die österreichische Kaiserin Maria Theresia gab bei der Gründung der Theresianischen Militärakademie 1751 ihrem ersten Kommandanten, Feldmarschall Leopold Josef von Daun den Auftrag: „Mach’ er mir tüchtige Offiziere und rechtschaffene Männer darauß“ …
Es geht auch ohne Charisma
Mein Zugang zu Leadership ist ein anderer als das gegenwärtige Mainstream-Denken. In der allgemeinen Vorstellung hängt Leadership eng zusammen mit der Figur der außergewöhnlichen, charismatischen Persönlichkeit. Dass es Menschen mit Charisma gibt, die große Wirkung auf andere Menschen haben, ist unbestritten. Jedoch gibt es sie erstens nicht in ausreichender Zahl; zweitens sind die Ergebnisse ihres Handelns nicht immer wünschenswert und drittens ist dieser Persönlichkeitstyp für Leadership nicht unbedingt nötig, wie geschichtlich gut belegt ist.
Dort hingegen, wo Charisma sich trifft mit den nötigen Fähigkeiten, dem Wissen und der erforderlichen Verantwortung, entstehen zweifellos die ganz großen Werke und Taten. Aber auch ohne Charisma können Führungskräfte in ihren Verantwortungsbereichen zu echten Leadern werden.
Leadership ist zwar auch, aber nicht nur eine Frage der Persönlichkeit, sondern auch der richtigen Regeln des Handelns. Mit diesen kann Leadership in Organisationen auch ohne angeborenes Charisma aktiviert und kultiviert werden. Dafür sollte man auch die Missverständnisse kennen, die in der allgemeinen Diskussion über Leadership und Charisma liegen.
Verschiedene Charaktere
Echte Leadership hat ihre Wurzeln nicht in den immer wieder aufs Neue beschworenen Eigenschaften von Personen. Es gibt keine Gemeinsamkeiten in den Eigenschaften von Menschen, die in ihrer Beurteilung durch andere als Leader angesehen werden. Das lässt sich durch das Studium von Biografien gut beweisen.
Manche Leader sind hoch intelligent, andere sind diesbezüglich durchschnittlich. Manche sind »nette Menschen«, umgänglich und locker; andere sind unnah bar, zurückhaltend und spröde, von strenger Disziplin, vielleicht sogar von Askese geprägt. Manche sind Draufgängertypen und »Machos«, andere sind leise Menschen, zurückhaltend und vornehm. Manche lieben Luxus und Show, andere können das nicht ausstehen. Es gibt solche, die eher impulsiv und spontan sind, während andere alles gründlich studieren müssen, und lange Perioden grübelnden Nachdenkens und bohrender Zweifel hinter sich bringen, bis sie zu einer Entscheidung kommen. Manche suchen den engen Kontakt mit Menschen, haben immer ein offenes Haus oder Büro, während andere eher zur Zurückgezogenheit tendieren.
Als Menschen sind Leader so verschieden, wie Menschen nur sein können. Gemeinsam ist ihnen jedoch ein bestimmtes Handeln in jenen kritischen Situationen, die echte Leadership erfordern. Dieses Handlen kann studiert und beobachtet werden, und aus diesem können gewisse Master Controls of Leadership extrahiert werden, wie ich sie nenne. Es sind jene Regeln, die man bei der Vorbereitung von Menschen auf hohe und höchste Positionen beachten sollte. Es sind auch jene, die man bis zu einem gewissen Grade lernen kann.
Vier gemeinsame Gründe für erkennbare Leadership
- Der erste Grund für echte Leadership ist die Fähigkeit, auf der jeweiligen Position eine richtige Politik oder Strategie zu machen, denn falsche Politik führt zu Mis-Leadership, und dies gerade dann, wenn sie sich mit Charisma paart.
- Der zweite Grund ist die Fähigkeit, die Organisation in den jeweils richtigen Operationsmodus zu versetzen, z. B. „Angriff“ oder „Defensive“. Dazu gehört eine klare Sicht und Lagebeurteilung sowie auch oft persönlicher Mut.
- Der dritte Grund ist die Fähigkeit, die richtigen Themen zu wählen und die richtigen Prioritäten zu setzen, und diese einer wirksamer Bearbeitung zuzuführen. In der Themenführerschaft zeigt es sich, was man »eine Nase haben« nennt.
- Der vierte Grund sind Regeln oder Grundsätze, die das persönliche Handeln und damit die Verwirklichung von Politik und Strategien leiten. Dies ist die Beherrschung des Handwerks der Managementeffektivität, denn ohne diese bleibt auch die beste Leadership wirkungslos.
Mehr dazu in folgenden Blogs.
Ich würde zwei – eigentlich banal klingende – Punkte ergänzen bzw. herausheben: „Dienst an der Sache“ und „Integrität“. Das Fehlen dieser Elemente verhindert nachhaltig erfolgreiche Leadership, auch wenn ein (fragwürdiger) Personenkult temporär diesen Schein erwecken mag. Leader stellen ihre Persönlichkeit zurück bzw. in den Dienst einer Sache oder – im Wortsinn – Auf-gabe. Mein langjähriger Trainer Nikolaus Enkelmann sagte einmal: „Der eitle Mensch glaubt an sich, der selbstbewusste [erfolgreiche] Mensch an seine Aufgabe.“ Das ist m.E. der große Fehler im beschriebenen Mainstream-Denken und gipfelt vor allem auch in völlig falsch aufgesetzten „Selbstverwirklichungsprogrammen“ für Möchtegern-Leader. (Die inflationär propagierte – aber meist… Weiterlesen »
Lieber Herr Schmidt, danke für Ihre Hinweise zur Leadership. Diese Themen stehen auch auf meinem Publikationsplan, denn sie sind für richtig verstandene und funktionierende Leadership von zentraler Bedeutung. Ich behandle das Thema, wie ich im Posting geschrieben habe, in mehreren Fortsetzungen.
Ihre Anmerkung zu Maslow ist aus meiner Sicht richtig. Schreiben Sie doch mals was zu den Missverständnissen, die Ihnen am wichtgsten sind.
Lieber Prof. Malik, gerne greife ich die Anregung auf, der populären Maslowschen Bedürfnispyramide einen tieferen kritischen Blick zu widmen. Ich würde weniger auf die konzeptionellen Schwachstellen eingehen (bspw. Hierarchie der Handlungsmotive vs. situatives Handeln), sondern mich auf die praktischen Nebenwirkungen beschränken. Der Grund für die Popularität ist m.E. deren Einfachheit und Anschaulichkeit im Gegensatz zu anderen psychologischen Werken und Erkenntnissen. Banal ausgedrückt passt sie eben gut in die üblichen Studienpläne und Dozentenpräsentationen. Damit wird sie allerdings missverstanden als vorgeblich einfacher Schlüssel zur hochkomplexen menschlichen Psyche. Sie ist ein typisches Muster des „Alte-Welt“-Denkstils. Daraus ergibt sich das nächste Problem: Die Selbstverwirklichung… Weiterlesen »
Lieber Herr Schmidt, danke für Ihr Posting, das mich sehr freut. In den von Ihnen aufgeführten Punkten haben Sie recht. Ich selbst konnte mit Maslow von Anfang an nicht mitgehen, seit ich seine Theorie kennenlernte – weder von seine Pyramidenmodell noch vom Selbstverwirklichungsmotiv. Dennoch hat er eine grosse – wenn auch fehlerbehaftete – wissenschaftliche Leistung erbracht. Seine Grösse zeigt sich u. a. auch darin, dass er in einem Paper 1969 Frankl recht gab und seine Position bezüglich seinem Selbstverwirklichungsmotiv revidierte. Von der Mainstream-Motivationspsychologie blieb dieses Paper unbeachtet, und so wurde weiterhin die Selbstverwirklichung als höchste Motivation gelehrt. Dieser Tatsache müssen… Weiterlesen »