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Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, Bremen am 15.04.2015:

Im Jahre 1986 veröffentlicht Alfred Rappaport (*1932) sein Buch Creating Shareholder Value. Einer der prominentesten Gurus des Shareholder Value als Prinzip der Führung und des – vermeintlich am Aktienkurs ablesbaren – Erfolges von Unternehmen wird Jack Welch (*1935). Von 1981 bis 2001 führt er General Electric und kann den Börsenpreis der Firma um rund 4.000 Prozent steigern. Dieser Zahlentriumph wirkt so einschüchternd, dass fast alle Kritiker in kleinlautes Schweigen verfallen.
In Europa allerdings hört Fredmund Malik niemals damit auf, den längerfristigen Nachteil dieses Firmen-Prinzips wortgewaltig ins Bewusstsein zu rufen (etwa hier: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-166128.html). Die Qualität eines Unternehmens, so Malik, wird im Firmenpreis zwar sichtbar. Er ist aber Ergebnis einer optimalen Leitung und nicht Ausfluss aller denkbaren Massnahmen für das Hochtreiben des Börsenkurses. Es sei mithin verheerend, schnell kletternde Aktienkurse mit einer optimalen Unternehmensführung zu verwechseln.
Erst die Finanzkrise 2007/2008 bringt Jack Welch zur Besinnung und zugleich auf Fredmund Maliks Linie. Gegenüber dem global führenden Wirtschaftsblatt, der Financial Times, bereut der Amerikaner öffentlich und unmissverständlich:
„On the face of it, shareholder value is the dumbest idea in the world. Shareholder value is a result, not a strategy. […] Your main constituencies are your employees, your customers and your products.“ (F. Guerrera, „Welch rues short-term profit ‚obsession‚ „, Financial Times, 12. März 2009).
Auch die Forschung – in diesem Falle von McKinsey vorgelegt – sieht mittlerweile, dass 70 bis 90 Prozent eines Firmenwertes vom Cashflow abhängt, der erst zwischen drei und zehn Jahren nach dem Beobachtungszeitpunkt anfällt (http://www.mckinsey.com/insights/corporate_finance/what_is_value-based_management). Analysten aber haben nicht einmal den innerhalb eines Jahres zu erwartenden Cashflow sicher im Blick. Mit diesem Zwölfmonatshorizont können sie bei der Prognose von Firmenpreisen bzw. bei Anlageempfehlungen nur blind im Nebel stochern. Ungeachtet dieser Einsichten konnte sich die Shareholder-Ideologie so tief in die amerikanischen Business Schools und ihre vielen Hunderttausend Absolventen einfressen, dass die Mehrzahl der US-Firmen ihr ungebrochen nacheifert:
„CEOs, who are paid mostly in stock and live in fear of being punished by the markets, race to hit the numbers rather than simply making the best decisions for their businesses long term. One National Bureau of Economic Research study found that 80% of executives would forgo innovation-generating spending if it meant missing their quarterly earnings figures.“ (R. Foroohar, „The Market Mirage“, Time, 31 March – April 6, 2015, p. 15).
Mit der Nullzinspolitik der Zentralbanken kann seit Jahren ein zusätzlicher Pfeil für das Treiben der Firmenpreise abgeschossen werden, den Alfred Rappaport noch gar nicht im Köcher hatte, der seinen Ansatz aber noch destruktiver macht. Mit dem billig beschaffbaren Geld können Firmen ihre Aktien zurückkaufen, dabei deren Preis steigern und so die Zahl der Gewinnberechtigten vermindern. Zwischen 2006 und März 2015 steigen die Schulden von US-Firmen (ausserhalb des Finanzsektors) von 5,7 auf 7,4 Billionen US-$. Der Löwenanteil geht für Aktienrückkäufe sowie Firmenzukäufe drauf. Beide Operationen ändern an der inneren Struktur der Unternehmen erst einmal nichts. Ihre Zukunftsfähigkeit wird der schnellen Preissteigerung und Dividendenmehrung unterworfen. Das alles verheisst nichts Gutes, unterstreicht aber einmal mehr, dass die Arbeit von Malik noch lange nicht getan ist.