Die Grosse Transformation stellt drei Herausforderungen: 1. Das Neue aufzubauen. 2. Sich vom Alten zu trennen. 3. Den Übergang vom Alten zum Neuen zu meistern.
Alle drei Aufgaben sind schwierig. Am schwierigsten ist es meistens, sich vom Alten zu trennen – besonders in bisher erfolgreichen Organisationen. Hier stelle ich dafür eine wirksame Methode dafür vor: Die systemische, natürliche «Müllabfuhr».
Es ist die Empfehlung, sich kontinuierlich von allem zu trennen, was veraltet und überflüssig geworden ist. Sich vom „aufgestauten Müll“ zu befreien – und dies nicht einfach zufällig, sondern mit einem systematischen, kontinuierlichen, regelmässig durchgeführten Prozess.
Damit wird aus der Idee eine Methode. Sie hilft mit, fette zu schlanken Organisationen zu machen, ineffiziente zu effizienten, langsame zu schnellen und träge zu vitalen und alte zu neuen. Und sie ist einer der wirksamen Wege zur agilen Organisation.
Die Schlüsselfrage
Die Methode ist einfach und effektiv. Man stellt regelmässig die Frage: Was von dem, was wir heute tun, würden wir nicht mehr neu beginnen, wenn wir es nicht schon täten? Diese Formulierung ist zwar kein besonders schönes, aber doch korrektes Deutsch. Und viel wichtiger: Sie ist wirksam!
Man beachte: Die Frage lautet nicht: Was hätten wir – früher mal – gar nicht beginnen sollen? Das klingt zwar ähnlich, ist methodisch aber etwas ganz Anderes. Denn diese Formulierung befasst sich mit der Vergangenheit, während die erste Formulierung auf die Zukunft gerichtet ist.
Die Frage lautet also: Was würden wir heute nicht mehr neu beginnen, wenn wir nicht schon mitten drin wären? Und weiter: Wovon müssen wir uns daher trennen? Was müssen wir schlichtweg stoppen? Das sind die Fragen, die zum Handeln führen – heraus aus der Vergangenheit und vorwärts in eine neue Zukunft.
Am klarsten sieht man die Bedeutung dieser Methode, wenn man sie kontrastiert mit der üblichen Praxis von Menschen und Organisationen: Zu all dem, was man ohnehin schon tut, kommt jedes Jahr noch mehr hinzu, aber nichts mehr weg. Die Natur hingegen macht es anders …
Die natürliche Methode
Wie alle anderen Lebewesen hat der Mensch als biologisches Wesen eingebaute Reinigungsorgane – Nieren, Lunge, Darm usw. Diese Organe befreien kontinuierlich von Abfällen, denn sonst gäbe es kein Leben. Es ist eine integrierte system-kybernetische Selbst-Reinigung.
Als soziale Systeme hingegen sind Menschen und Organisationen aber „Gewohnheitstiere“. Alles wird gesammelt und mitgeschleppt – aus Gewohnheit, und weil man kein «soziales Organ» dafür entwickelt hat, sich systematisch von «Abfällen», wie eben Gewohnheiten zu befreien. Vitale Organisationen drehen dies systematisch um. Sie stellen die Frage: Wovon sollten wir uns trennen? Was sollten wir nicht mehr tun?
Schwierig – aber entscheidend – ist die „Müllabfuhr“ auf der Metaebene, wenn es um veraltete Methoden, Systeme sowie veraltetes Wissen geht. Hier gibt es oftmals zu viele Entscheider und Interessensvertreter, die große Veränderungen verhindern, weil sie deren Vorteile nicht kennen oder nicht verstehen – oder weil sie von den alten Systemen profitieren. Die hohe erkennbare Wirksamkeit der Müllabfuhr auf der Mikroebene, also bei Berichten, Prozessen und Aufgaben, sollte dazu ermutigen, sich auch von ineffizienten Systemen zu trennen bzw. diese durch wirksame Methoden zu ersetzen. Die Kunst ist nicht nur „den bestehenden Müll zu entsorgen“, sondern auch systemisch „die Müllproduktion“ der… Weiterlesen »
Lieber Herr Schmidt, wir stimmen hier weitgehend überein. Ich wollte den Gedanken einbringen, dass Change zwar oft, aber nicht immer mit grossen und schwerwiegenden Eingriffen in eine Organisation herbeibeführt werden kann, sondern auch durch kontinuierliche, gewissermassen „mikroskopische“ Befreiung von „Müll“. Unter anderem gehören dazu häufig lieb gewordene Gewohnheiten, und Routinen, die oft über lange Zeit hilfreich waren, irgendwann aber eher hinderlich werden, was einem häufig nicht schnell genug auffällt, weil die systematische Prüfung auf Tauglichkeit fehlt.
Sehr geehrter Professor Malik, die Entsorgung alter Muster ist ein hochinteressantes Thema, das uns im gesamtgesellschaftlichen Rahmen ebenso beschäftigt. Bei der Bildung größerer Einheiten (z.B. Reichsbildung unter den Merowingern) mussten in der Vergangenheit beispielsweise Clanstrukturen aufgelöst werden, das System der Blutrache oder des individuellen Menschenopfers abgeschafft. Das konnte z.B. nur nach dem radikalen Austausch der Religionen vollzogen werden. Die Reformen Kemal Atatürks sind ein weiteres Beispiel für solche Entsorgungssystematik. Es geht stets um Ressourcenfreigabe, verbesserte Orientierung im Gesamtsystem, zügige „Material“-Bereitstellung und raumzeitlich verbesserte Transaktionsfähigkeit der Organisation. Beispiel: Erledigung der Einkommenssteuer übers Internet: Authentifizierung über elektronischen Personalausweis(verbesserte Transaktionsfähigkeit), Online-Formular(„Material“-Bereitstellung), Belege erst… Weiterlesen »
Besten Dank, Herr Pfeifenberger, für diese wiederum sehr anschaulichen Beispiele. Eine
Spekturm aus grossen Eingriffen (oft von dementsprechenden Widerständen begleitet) und eben auch kleinen Aktionen für die Befreiung von überkommenen und behinderlich oder gewordenen Elemente, entsprechend der Selbstreinigungsmechanismus biologischer Systeme (Schwitzen, Verdauen, Urinieren in den physiologischen Systemen etc.) und im neurophysiologischen dürfen wir wohl auch Formen des Vergessens und Ignorierens dazuzählen.
Sehr geehrter Herr Malik,
zweiter Absatz: systemische oder systematische Müllabfuhr? Vermutlich meinten Sie letzteres?
Mit freundlichen Grüßen
B. Wolf
Sehr scharf beobachtet, vielen Dank. Ich meine beides. Am besten ist: „Systematisch systemisch“.
Guten Morgen „survival of the fittest“ bringt’s auf den Punkt. Hierzu gehen intelligente Lebewesen auch Symbiosen ein – ja, sogar Fressfeinde nutzen sich in Zeiten der besonderen Umstände. Sie bringen wechselseitige Beziehungen hervor, an die sie sonst niemals zuvor „gedacht“ hätten. Auf heute heruntergebrochen frage ich mich, wie sich hier die Folgen der sozioökonomischen Umbrüche wieder in geordnete Bahnen lenken lassen. Dies umso mehr, da die Manipulation der Finanzmärkte und die Machtkonzentration immer noch mehr voranschreitet. Für „John Average“ und „Lieschen Klein“ bedeutet dies die brutalste Vermögensverschiebung und das Abgleiten vieler in die Armutsfalle. Diese wünschen sich eine klare Handlungsempfehlung… Weiterlesen »
Sehr geehrter Herr Freischer, willkommen, Sie sind zum ersten Mal auf meinem Blog, wenn ich mich nicht täusche. Und besten Dank für die interessanten Fragen. Meine Antworten sind folgende: 1. Die Digitalisierung als eine der Triebkräfte for die Veränderungen, die ich seit den 1990er Jahren in meinen Publikationen als die „Grosse Transformation21“ (GT21)bezeichne. Sie führte zu einer radikal Neuen Welt und lässt die bisherige Alte Welt hinter sich. Sie führt zu Vernetzung, diese führt zu Komplexität und diese zu Innovation, Intelligenz und mehr. Das ist ein kybernetischer Prozess und tatsächlich ein Naturgesetz, nach dem auch die Ökosysteme funktionieren. 2. Der… Weiterlesen »