Als Haupttreiber der GrossenTransformation wird in der Regel die Digitalisierung genannt. Aber was bewirkt diese wirklich? Digitaltechnologie haben wir ja seit langem; sie ist nicht neu.
Entscheidend ist die Vernetzung, die sie durch ihre heutige Leistungsfähigkeit ermöglich. Diese führt, erstmals in der Geschichte, zur Vernetzung – von allem mit allem – und zwar global. Warum ist aber die Vernetzung so wichtig? Was bewirkt diese?
Die Folge von Vernetzung ist der exponentielle Zuwachs von Komplexität. Das ist das wichtigste Merkmal des globalen Transformationsprozesses.
Zeitgleich mit der Digitalisierung kommt aber auch das richtige Management für diese Komplexität – das Cyber-Management. Denn die beiden sind wissenschaftliche Zwillinge – entstanden aus der neuen Wissenschaft der Kybernetik. Die Kybernetik ist die Wissenschaft vom Steuern, Regulieren und Lenkenkomplexer Systeme durch Kommunikation – und vor allem davon, wie Systeme sich selbst steuern, sich selbst regulieren und sich selbst lenken.
Die Kybernetik entstand am Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Boston in den späten 1940er Jahren. Sie hat heute zwei dominante Anwendungen: Die Digitalisierung ist die Anwendung der Kybernetik auf Computer. Kybernetisches Management ist die Anwendung von Kybernetik auf Organisationen, woran wir in St. Gallen in der Forschungsgruppe Ulrich seit den 1970er-Jahren kontinuierlich gearbeitet haben.
Derzeit gibt es zwar noch Ängste vor der Komplexität. Viele wollen sie deshalb reduzieren. Aber man verwechselt sie mit Kompliziertheit.
Kompliziertheit müssen wir reduzieren, aber Komplexität sollen wir nutzen. Sie gehört zu den wertvollsten Rohstoffen des 21. Jahrhunderts – denn sie ist die Quelle von Intelligenz, von Anpassungsfähigkeit, und innovativen Lösungen. Dazu steht mehr in meinen Büchern, vor allem in „Strategie des Managements komplexer Systeme“. Einen Teil davon hatte ich bereits 1978 als Habilitationsschrift eingereicht. Als erweitertes Buch ist sie inzwischen in der 11. Auflage erschienen.
Das Wort «Cyber» soll niemanden abschrecken. Zwar ist die Kybernetik in ihrer Anwendung mit heutigen Computern sehr schnell auch von ganz- oder halbkriminellen Kräften entdeckt worden. Daher gibt es Cyber-Criminality, Cyber-Hacking, Cyber-Pornographie, Cyber-Espionage und mehr von dieser Sorte. Kein Wunder, denn die Kybernetik funktioniert eben – perfekt und zuverlässig – und wurde deswegen auch rasch missbraucht. Gegen Cyber Hacking hilft aber verlässlich Cyber Security, und gegen Cyber Criminality hilft Cyber Investigation. Gegen die „schwarze“ Kybernetik brauchen wir und haben wir die „helle“ Kybernetik.
Mit der Kybernetik wurde die 3. Grundgrösse der Natur entdeckt und nutzbar gemacht -die Information. Die erste Grundgrösse ist die Materie, die zweite ist die Energie und die dritte ist die Information. Ohne Information gibt es keine Systeme, weder phyikalische noch ökologische. Denn es ist die Information, die einen blossen Haufen von zusammenhanglosen Elementen erst zu einem System macht.
Ohne diese Kenntnisse kann man zwar des langen und breiten von „Transformation“ reden, aber man kann sie nicht verstehen. Und das ist zu 90% der Fall.
Mehr dazu – und warum es so wichtig ist, Kybernetik und Komplexität zu nutzen, und wie das mit Cyber-Management geht, in den nächsten Tagen und Wochen.
Lieber Herr Prof. Malik,
ich habe mir Ihre Ausführungen zu Gemüte geführt. Private, wie auch besonders staatliche Institutionen, werden kurz-und mittelfristig stark von Ihren Methoden profitieren. Strategische Entscheidungen, wie, und mit was, Unternehmen in die Zukunft geführt werden, kann man darüber, nach meiner Ansicht, nicht gewinnen. Ich könnte das auch näher begründen. Es braucht dazu mehr Raum, für einen „Rundumschlag“, als hier zur Verfügung steht. Was immer, ich auch heute dazu lese, läßt mich schließen, dass es zu einem Effizienz- und Wohlstandsverlust von 30-50%
kommen wird. Global, bei gleichzeitiger Erhöhung der CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Schöne neue Welt!
Lieber Herr Classen, ich freue mich über ihren Beitrag, jedoch bin ich etwas unsicher, was sie wirklich meinen. Sie sagen einleitend,das private und besonders staatliche Institutionen von meinen Methoden profitieren würden. Dann jedoch, dass strategische Entscheidungen, „wie und mit was, Unternehmen in die Zukunft geführt werden können .. darüber .. nicht zu gewinnen“ seien.
Diese beiden Aussagen würden sich aber widersprechen. Oder habe ich nur ungenau gelesen? Ich freue mich, wenn Sie dazu etwas ausführlicher werden, vielleicht in mehreren Beiträgen und nicht alles in einem..
Die Große Transformation zu verstehen ist eine Herausforderung. Am Anfang und am Ende allen biologischen und technischen Geschehens steht der Stoffwechsel, der Metabolismus. Er verbindet Materie und Energie. Der Energiefluss in biologischen Systemen hangelt sich noch gestaffelt an Molekülen entlang, die energiereiche Elektronen von einem Donator zu einem Rezeptor weitergegeben und dabei Arbeit verrichten und Komplexität aufrechterhalten, bzw. schaffen. Räumliche Nähe scheint die Notwendigkeit für Information in engen Grenzen zu halten. Ich denke auch, dass Vernetzung wichtiger ist als Digitalität. Informative Vernetzung kommt ins Spiel, wenn es gilt, Distanzen zu überwinden, z.B. entfernte metabolische Zentren zu koordinieren um gezielte Bewegung… Weiterlesen »
Lieber Herr Pfeifenberger, was für ein starker Beitrag, vielen Dank. Betrachtungen wie die Ihre bringt uns dem Verständnis der Grossen Transformation, ihrer Wesenheit und ihrer vermutlichen Ergebnisse näher. Wie sehen Sie das für das Gehirn, wo die Packungen ja sehr dicht sind (nach derzeitigen Schätzungen etwa 100 Milliarden Neuronen und die Vernetzung astronomisch. 10 Neuronen können auf Grund ihrer Bauweise auf extrem viele Arten vernetzt sein. Die Zahl beträgt: 1.267.650.500.228.229.401.703.20 5.376. Also die Bescheidenheit von 1 Quadrilliarde, wenn ich richtig zähle. Nicht gezählt sind jedoch die verschiedenen Reaktionen, die die Neuronen auf äussere Stimuli haben können. Die Berechnung stammt von… Weiterlesen »
Sehr geehrter Herr Prof. Malik, ich komme aus Beijing und habe Ihre Bücher auf Chinesisch gelesen, und ich habe viel gelernt. Beim Wort Komplexität denke ich, dass Sie im Buch geschrieben haben, dass Sie beim Daimler-Chrysler-Merger schon Scheitern vorhersehen, weil die Manager die Komplexität und die Risiken von der Komplexität nicht gewusst haben. Ich finde dieses Fall sehr interessant. Können Sie mir mehr Informationen geben? Was für Risiken gab es beim Daimler-Chrysler-Merger? Vielen Dank für Ihre Antwort!
Sehr geehrte Sicheng She, wie gut Sie Deutsch sprechen bzw. schreiben! Das ist grossartig, Respekt! Ja, diese Meinung hatte ich von Anfang an. Die rein rationalen Faktoren waren durchaus passabel. Man unterschätzte die Kultur-Fragen. Zum Beispiel wurde unterschätzt, wie wichtig die Sprachkenntnisse sind. Die meisten Amerikaner können so gut wie kein Deutsch, oder nur schlechtes Deutsch, niemals ausreichend, um komplexe technische, geschäftliche und menschliche Fragen zu diskutieren, und für viele Deutsche galt das auch, insbesondere war es damals so für die meisten deutschen Autoarbeiter und einen Grossteil der mittleren Führungskräfte. Wenn man zusammenarbeiten muss, dann sind eben auch die Feinheiten… Weiterlesen »
Hätte es denn funktionieren können, wenn Daimler-Benz einfach als Eigentümer aufgetreten wäre, sich die Gewinne nach Stuttgart hätte überweisen lassen, und ansonsten die Amerikaner ihr Ding machen lassen? Schritt für Schritt hätte man dann doch vorgehen können wie VW mit seinen Marken Skoda und Seat. Technisch Auto-Plattformen definieren und den ganzen Konzern mit Komponenten beliefern, und dann nur noch den Eindruck einer anderen Automarke durch Embleme und leichte Abweichungen bei Kühlergrillen und Kotflügeln vortäuschen. (Ja, es ist etwas pointiert ausgedrückt und unendlich viel komplexer, dennoch weiß ich aus sicherer Quelle, dass VW unter Piech ab Mitte der 1990er Jahre genau… Weiterlesen »
Vermutlich wäre es so, wie Sie es schildern, bei Daimler sehr viel besser gegangen. Darüber hinaus hätte ein Scheitern, wenn es denn eingetreten wäre längst nicht so viel Schaden angerichtet. Ganz offensichtlich haben also auch andere Dinge noch eine Rolle gespielt, die vielleicht nie ganz aufgedeckt, oder verstanden werden.