Potenzial – oder Leistung?
»Potenzial« gehört zu den wichtigsten Begriffen im HR. Dies gilt insbesondere in der beliebten Steigerungsform des »High Potentials« für »vielversprechende Leute«.
Mein Vorschlag ist, statt auf Potenzial auf Leistung zu achten, und statt von »High Potential« von »High Performance“ zu sprechen.
Das ist nicht dasselbe. Potenzial ist eine Möglichkeit, ein Versprechen. Wie sich häufig herausstellt, oft ein leeres Versprechen. Etwas, worauf man zwar hoffen kann; ob die Hoffnung aber auch erfüllt wird, kann man nicht im Voraus wissen.
Leistung dagegen ist etwas bereits Nachgewiesenes, etwas, worauf man bauen kann. Es ist mit heutigen Mitteln schlichtweg unmöglich, Potenzial zuverlässig zu beurteilen. Das Einzige, was man zutreffend bestimmen kann, sind die Leistung, die jemand erbracht, und die Stärken, die er oder sie dabei unter Beweis gestellt hat. Alles andere ist Vermutung, Hoffnung, Projektion.
In den Personalbereichen hört man das weniger gerne, weil die Potential-Assessments ein fester Bestandteil der Kandidaten-Auswahl geworden ist. Lassen wir es vorerst dabei. Man kann aber gleichzeitig auf die bereits erbrachten Leistungen achten. Zumeist sind diese gar nicht oder recht dünn dokumentiert. Dokumentiert sind in den Lebensläufen zwar die Positionen, die jemand bis anhin hatte, aber nur selten das, was sie oder er dort erreicht hat.
Es gibt keine zuverlässigen Methoden, um Potenzial als solches zu erkennen. Wir können aber von bereits erbrachten Leistungen auf zukünftige Leistungen schließen, wobei auch dies nicht immer verlässlichen Schlüsse sind. Dennoch muss die bereits gezeigte Leistung im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, kein nebulöses Potenzial. Man braucht keine Liste von »Potentials«, sondern eine Liste von »Leistern«, oder, wenn man es Englisch will, von „Performern“, aus denen man auswählen kann, wenn Positionen zu besetzen sind.
In gut geführten Organisationen verlässt man sich nicht auf Potenziale. Vielleicht verwendet man das Wort als solches, doch muss man darauf achten, was damit gemeint ist. Die wichtigste Grundlage für Potenzialbeurteilungen sind reale Leistungen (nicht Assessment-Ergebnisse) und praktische Bewährungsproben.
High Performance ist ein topologisch sehr interessanter Begriff. Ein High Performer muss einen zwanglosen Zugriff auf innere und äußere Ressourcen haben und gleichzeitig einen Antriebsmechanismus, der sich wieder in äußere und innere Komponenten aufteilen lässt. Der Komponist Richard Wagner hat in den Meistersingern auf die Wahnhaftigkeit des Kreativen hingewiesen. Man muss für eine Sache brennen, andererseits gibt es auch High-Performance- und Low-Performance-Zeiten und – Orte. Die italienische Renaissance und die Shakesspearsche Ära Englands waren high, die kommunistische Ära von 1917 bis 1989 war low. Nun kann man ja davon ausgehen, dass zu allen Zeiten potenzielle High Performer existierten, diese aber… Weiterlesen »
Lieber Herr Pfeifenberger, besten Dank für Ihre Überlegungen und interessanten historischen Beispiele zu meiner Empfehlung, bei der Auswahl von Führungskräften eine klare Unterscheidung zu machen zwischen High Potential und High Performer. Den erste Begriff treffe ich in fast jeder Firma an, den zweiten nur sehr selten. Und ebenso ist es in der Literatur zu diesem Thema. So stehen wir also vor der Kluft zwischen „Hoffnung und Versprechen“ und „bereits erbrachter Leistung“. Sie erwähnen sogar ganze Epochen, während ich hier die Auswahl von einzelnen Personen in konkreten Unternehmen/Organisationen im Auge habe. Besonders wichtig ist Ihr Hinweis darauf, dass man häufig Fähigkeiten… Weiterlesen »