Control ist einer der wichtigsten Begriffe der Kybernetik. Ins Deutsche mit „Kontrolle“ übersetzt, verkehrt sich der Begriff jedoch fast immer ins Gegenteil, nämlich in „rigide Überwachung“, statt „zuverlässiges und reibungsloses Funktionieren“.
Alles, was funktioniert, funktioniert durch das kybernetische Prinzip des Real Time Controls.
Das bedeutet praktisch, dass man in unbekanntem Gelände in Echtzeit wissen muss, wo man gerade steht, damit man in einer sich ständig verändernden Situation den nächsten Schritt bestmöglich setzen kann, und zwar aufgrund der gerade erzielten Ergebnisse des vorhergehenden Schrittes. Je komplexer die Bedingungen des Handelns sind, je schneller sich diese in unvorhersehbarer Weise ändern und je weniger man mit dem Neuen vertraut ist, desto wichtiger ist dieses Prinzip.
Funktionierende Controls ermöglichen relativ grösste Planungsflexibilität und zugleich auch Planungsgenauigkeit – dies nicht deshalb, weil die Pläne besser werden, sondern weil die Controls hinzugeschaltet werden.
Controls wirken übrigens auch dann, wenn man unter Umständen aufgrund des Neuigkeitsgrades einer Situation gar keine sinnvollen Pläne machen kann. Zum Beispiel kann man auch beim Autofahren nicht „planen“ bzw. vorhersehen, wann und wo ein Kind auf die Strasse springt. Mit den modernen Distance Controls kann man selbst solche Situation aber noch beherrschen, was ohne die Assistenz Controls unmöglich wäre.
Praktische Bespiele für das Funktionieren durch Controls sind die Einsatzzentralen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, die Air Traffic Controls und die High-Tech-Chirurgieräume. Die äusserlichen Erscheinungsformen sind oft sehr verschieden. Die dahinterstehende Kybernetik und ihre Funktionsprinzipien sind dieselben.
Auch in Organismen finden wir genau dieselben Funktionsprinzipien, zwar aus ganz anderen Materialien, aber mit demselben Zweck, nämlich Real Time Control. Als Beispiel: Im unwegsamen Gelände die Augen beim Gehen zu schliessen führt oft nach wenigen Meter in Schwierigkeiten, die man aber mit offenen Augen gut vermeiden kann. Die Bewegung wird durch das Auge „real time controled“. Kybernetische Prinzipien bestimmen die situationsgerechte Kommunikation.
Lieber Prof. Malik, Ihr sprachliches Bild mit den Augen finde ich interessant. Wer ein Verständnis des „Funktionierens“ bzw. der Kybernetik hat, denkt und handelt anders, als jemand, der für die Kybernetik „blind“ ist. Für beide ist ihr Handeln selbstverständlich, so wie für den Sehenden das „Sehen“ und den Blinden das „Blindsein“ selbstverständlich ist. Schwierig wird es nun, einem Blinden, der schon immer blind war, das Sehen zu beschreiben. Ebenso verhält es sich in der Praxis mit Managern, die sich in alten Denk- und Handlungsmustern bewegen. Sie tun sich mit dem Funktionsdenken schwer, weil ihnen das gedankliche „Sinnesorgan“ dafür fehlt bzw.… Weiterlesen »
Lieber Herr Schmidt, Sie beschreiben das Phänomen dieser Blindheit sehr treffend und anschaulich.
Das plötzliche „Sehen“ = Erkennen und Begreifen der Kybernetik und ihres Funktionierens ist für die meisten Menschen ein faszinierendes, kaum noch zu vergessendes Erlebnis. Plötzlich „geht es“ – und dann versteht man so viele Naturphänomene, technische Vorgänge und auch organisatorisches Funktionieren ganz neu und ist auf einer inspirierenden Entdeckungsreise. Dafür braucht man keine Mathematik, so schön es aber ist, wenn man auch diese einsetzen kann.
Ein schöner Artikel, weil es an die Wichtigkeit und den Sinn von Messungen erinnert. Kybernetische Elemente kommen in Projektmanagement Methoden leider nicht systematisch vor. Wer diese aber konsequent anwendet, hat deutlich erhöhte Erfolgschancen und zwar unabhängig davon, welche Methodik angewendet wird. Auch wenn teilweise kybernetische Elemente in den Methodiken enthalten sind, wird der Fokus in Literatur und Lehre auf die äusserliche Elemente, wie Rollen oder Kultur gelegt. Es bleibt dem Zufall überlassen ob etwas funktioniert oder nicht. Beim Scheitern wird der Grund häufig in einer nicht konsequenten Anwendung der Methodik gesucht. Versteht man dagegen die Funktionsweise, können Elemente verschiedener Methodiken… Weiterlesen »
Lieber Herr Fritz, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Danke für Ihren wichtigen Beitrag.
Sie beschreiben die Lage einmal mehr klar und überzeugend. Feedback und Feedforward
sind für ein zuverlässiges Funktionieren unerlässlich, sonst gehen Systeme aus dem
Ruder – „out of control“. Dabei ist es so einfach. Ich freue mich über Ihre Praktiker-Beiträge.
Real time control ist ein hochinteressantes kynernetisches Prinzip. Sein Vorläufer ist die störungsabhängige Meldung vor Ort an die Zentrale ohne genaue Qualifizierung. So funktioniert das beispielsweise in klassischen Computernetzwerken. Die Fehleranalyse ist dann verzwickt und zeitaufwändig. Virtualisierte Netzwerke erlauben dann den Sprung in die Real Time Control. Wieder geht es um Absolution, also die quasi unendlich steigerbare Informationsfülle. Diesmal nicht nur extern auf die Umwelt bezogen, sondern reflexiv auf das System selbst. Das von Professor Malik angesprochene Sehen verdeutlicht dies sehr schön. Die anderen Sinne sind ja eventbasiert, taugen also nur sehr beschränkt zur Antizipation zukünftiger Ereignisse.
Lieber Herr Pfeifenberger, einmal mehr vielen Dank für Ihren so wichtigen Kommentar.
Und gleich schon zu Beginn das lehrreiche Beispiel „störungsabhängige Meldung vor Ort and die Zentrale ohne genaue Qualifizierung“. Passt wunderbar, sozusagen die „Frühzeit“ der Kybernetik. Man weiss nur,
dass etwas passiert ist, aber noch nicht was, wann, und wo …Und echt spannend Ihr
erneuter Hinweis auf die Absolution.