Die Langkofel-Nordostwand im Grödnertal – 2000
Eine faszinierende Klettertour für Sommer und Winter
Von Prof. Dr. F. Malik verfasst für die Zeitschrift „Löffler Sport Zeit“ 1/99, S. 26/27
Der Langkofel ist aus jeder Perspektive einer der eindrucksvollsten Berge der Dolomiten – hoch, wuchtig und wild. Besonders markant sind die dem Grödnertal und dem Sellajoch zugewandten Seiten: die jeweils über tausend Meter aufsteigenden Nord-, Nordost- und Ostwände. Sie gehörten früh zu meinen erklärten und heimlichen Tourenzielen. Durch die Nordostwand geht die 1918 erstbegangene Pichl-Führe, eine in jeder Beziehung klassische, oft begangene Route. Sie bietet höchst abwechslungsreiches Klettern mit Platten, Quergängen und Rissen in durchwegs gutem Fels und vor allem in einer beeindruckenden Felslandschaft. Die Schwierigkeiten liegen mit dem oberen vierten Grad noch in der Kategorie „Genussklettern“. Nichts Extremes also – aber die Tour erfordert Kondition und Sicherheit im alpinen Gelände.
Man braucht mehr Erfahrung, als man im Klettergarten erwerben kann. Als ich sie, geführt vom Wolkensteiner Bergführer Hermann Comploi, 1988 zum ersten Mal machte, war ich stolz wie selten zuvor. An einem fast wolkenlosen Tag Ende Juli stiegen wir noch vor Sonnenaufgang über die ersten grasdurchsetzten Schrofen. Für die 1000 Höhen- und insgesamt etwa 1500 Klettermeter bis zum Gipfel brauchten wir gute fünf Stunden – fünf herrliche Stunden konzentriertes Gehen und Steigen mit leichter Ausrüstung in einer urtümlichen Felskulisse. Ich bin inzwischen noch auf vielen Dolomitenspitzen gestanden, auch nach extremen Touren. Der Langkofelgipfel nach dieser langen Tour ist mir aber als einer der schönsten in Erinnerung.
Wie jeder Alpinist zwar weiss, aber doch immer wieder neu erfahren muss, sind Touren nicht auf dem Gipfel zu Ende, sondern erst wenn man wieder unten ist – am Langkofel gar keine einfache Sache, mit immerhin nochmals rund 1000 Klettermetern durch ein abenteuerliches Labyrinth von Türmen, Schluchten, Rissen und Bändern. Ich war selten so erschöpft wie nach den insgesamt gut 7 Stunden, die wir für diese Tour brauchten, bis wir in der Langkofelscharte standen, von wo die Seilbahn hinunter zum Sellajoch fährt. Erschöpft, aber erfüllt und zufrieden mit mir selbst. Das ist es ja, was so viele Leute nicht begreifen können, dass nicht Zufriedenheit zu Leistung führt, wie manche Psychologen uns weismachen wollen, sondern dass es genau umgekehrt ist – dass die Leistung die Zufriedenheit bringt.
Genau so war es, als wir zehn Jahre später dieselbe Tour noch einmal machten – diesmal im Winter, am 2. und 3. März 1998. Wenn man zehn Jahre lang gemeinsam in die Berge geht, bleibt zwar die Aufgabenteilung gleich: der eine ist Führer und Profi und geht voraus, und selbst bleibt man, auch wenn einem schwierige Touren gelungen sind, ein Amateur und Zweiter. Aber über die Zweckgemeinschaft der Seilschaft hinaus ist eine Freundschaft entstanden. Einstieg morgens um sechs, bei völliger Dunkelheit, minus 10 Grad, knirschender Schnee; schwere Rucksäcke, Biwakausrüstung. Wir brauchen deutlich mehr Zeit, als wir ursprünglich dachten. Ich bin langsam; das Klettern mit den Steigeisen ist mir nicht so vertraut. So lange man sich bewegt, ist es warm; aber an den Ständen spüre ich die Kälte. Es ist meine erste grosse Winterbegehung – und ich freue mich unbändig. Die vielen Alpinbücher, die ich im Laufe der Zeit gelesen habe, kommen mir ins Gedächtnis – Heinrich Harrer über den Eiger, Messner, Kammerlander; Cassin am Badile nach einem Wettersturz; Bonatti und Zappelli – 6 Tage bei minus 30 Grad am Walker Pfeiler.
Hier sind wir „nur“ am Langkofel, „nur“ im vierten Grad, bei schönem Wetter, mehr als ein Biwak sollte nicht nötig sein. Es gibt einen, der vorausgeht, der sein Handwerk beherrscht. Und wir haben moderne High-Tech-Bekleidung und -Ausrüstung… Komfort fast wie im Grand Hotel.
Man kann die Leistungen der Pioniere, auch der ersten Winterbegeher dieser Nordostführe auf den Langkofel, Ludwig Moroder und Renzo Bernardi, kaum hoch genug einschätzen. Nach zwölf Stunden Klettern am ersten Tage, einem passablen Biwak und zehn Stunden am zweiten Tag waren wir auf dem Gipfel. Wir dachten, dass es die fünfte Winterbegehung gewesen sei. Ein paar Tage später stellte sich heraus, dass wir die sechsten waren – auch gut und kein Grund, sich weniger zu freuen.
Der Traditionsverein der Grödner Bergführer blickt auf eine rund hundertjährige Geschichte zurück. Unter ihnen viele Erstbesteiger und Vorreiter des Bergsteigens. Unter dem Namen „Die Grödner Bergführervereinigung“ wurde ein Büro in Wolkenstein ins Leben gerufen. Fixer Begleiter bei jeder Bergtour: Löffler Transtex.
Adresse:
Alpinschule der Grödner Bergführervereinigung,
I-39048 Wolkenstein
Telefon und Fax: 0039 471 79 4133